Malerei 2006
Der Weg ist unbekannt. Die Farbe fließt, spritzt und bildet Pfützen
- vermischt sich mit dem Nachbarfluss - saugt sich in die Leinwand. Mit
zunehmendem Auftrag wird der Einfluss bewusster und bestimmter. Das Schwarz
akzentuiert und bindet - unkontrolliertes erhält Struktur. Gebändigter
Fluss.
Kunsthistoriker, Darmstädter Echo 2012
Kurze Zitate
Zwischen Farb-Dripping made in USA und fernöstlicher Poesie. Die neuen Landschaften der Renate Kletzka.
Assoziationen von Landschaft bleiben, doch mit einem starken Zug ins Sphärische.
Auch wo ihre Titel Konkretes verraten, bleiben die zugehörigen Bilder allgemein, anwendbar auf viele Landschaften - oder sollte man sagen: Essenzen von Landschaft?
Spannung zwischen Andeutung und Klarheit.
Kunsthistorikerin Neu-Isenburg Auszüge aus Rede 2015
„So ungezügelt das Arbeiten Kletzkas wirkt, so laut die Anarchie in ihren Bildern zu sein scheint, sie wirken nie 'roh' oder 'brutal', sondern erstaunlich sanft, wenn man sich bewußt macht wie wild bewegt sie eigentlich sind. Dies liegt zum einen an der Farbigkeit der Bilder. Sie ist nie zu kräftig, nie grell, sondern eher etwas zurückhaltender gewählt. Dort, wo sie schriller wird, wird sofort ein farblicher Gegenpart gesetzt, der sie wieder einfängt und das Bild in eine gewisse farbliche Ruhe bringt. Zum anderen ist es die ungrundierte Leinwand, die mit ihrer Struktur und ihrem natürlichen Beigeton, die flüssige Farbe in ihrer Intensität etwas dämpft.
Eine andere Komponente, die die Ruhe ganz entscheidend mitbestimmt, sind die für Kletzka so typischen Farbbänder; ordnende geometrische, relativ starkfarbige oder transparent über die Farbe gelegte Elemente, die in die starke Bewegtheit des Werks eingebettet werden. Sie sind der Gegenpol zu der Freiheit, die Kletzka der Farbe sonst läßt und sie platziert sie sehr wohl durchdacht. Renate Kletzka braucht sie um einen Halt im Bild zu finden, um die Anarchie nicht überhand gewinnen zu lassen, kurz: um 'Ordnung zu schaffen'. Die streng geometrische Form bietet einen Ruhepol, strukturiert und verbindet das Bild. Das 'Unberechenbare' tobt sich aus, wird wieder bezwungen und in eine Ordnung gebracht; die Balance von Kontrolle und Freiheit, die zu richtigen Teilen eine Harmonie schafft, die für das Auge so 'angenehm' im Sinne von einem 'Stimmigsein', ist.“
Auszug aus: Rede zur Ausstellung “über, durch und mittendrin“, arteMis Darmstadt 2004
Was gibt es zu sehen? Bewegte farbige Flächen und Linien, Zeichen
und Bauformen. Kein erkennbares Abbild unserer Welt, sondern Kürzel,
Abstraktion. Rivalisierende konstruktive und destruktive Kräfte im
Wechselspiel. Wir sehen Spuren von Entstehungs- wie Zerstörungsprozessen,
also quasi Durchgangszustände. Ein wiederkehrendes Gestaltungsprinzip
ist zum Beispiel das der Collage, wo in engster Verschränkung von Demolierung
und Erschaffung - die Schnitt- und Risslinien der zerstörten Bilder
zu Konstruktionslinien des neuen Bildes werden. Wir sehen Handgemenge von
Emotion und Ratio, Chaos und Ordnung. Und es ist wie im Leben: keiner lässt
den anderen ausreden. Wo die eine Kraft sich im Farbrausch „ausufernd“ verliert,
setzt die andere Grenzen, formuliert Widerstände, erinnert mit Geländemarken
an Ordnungen, Gliederungen, Hierarchien. Aber, wie gesagt, keine Aussage
bleibt unwidersprochen, sie wird immer bald wieder von Gegenkräften
eingeholt, kommentiert, überformt und so fort. Doch sobald das Auge,
oder besser: sobald der visuelle Verstand sich in das Stimmengewirr eingefunden
hat, werden wunderbare Dialoge erkennbar zwischen einzelnen konträren
Elementen, zwischen Linien und Flächen, lichten Farbfeldern und schwarzdunklen
geometrischen Zeichen, zarten Schattierungen und schroffen Unterbrechungen.
Dieses dialogische Kräftespiel und den Brückenschlag zwischen
den antagonistischen Formelementen hat die Künstlerin so beharrlich
und vielseitig bearbeit, dass es gar nicht verwundert, wenn in neueren Bildern
dieses ästhetische Prinzip sich gelegentlich in Andeutungen von Brückenmotiven
Ausdruck verschafft.
Auszug aus Rede, Galerie K, Weiterstadt 2000
Ihre Methode ist es, in den affektiven Malgrund Zeichen, als eine rationale
Struktur, zu setzen. Das Idiomatische des Zeichen liegt in seiner Transparenz,
in der Absolutheit für etwas anderes zu stehen. Wer die Elementhaftigkeit,
die Nacktheit der Zeichen und ihre Stabilität befragt, bekennt sich
zur Offenheit, zum Fragmentarischen und zur besonderer Gravitation eigener
Wahrnehmung.
Das Hinausführen aus dem Bild gleicht einer Verschiebung der Proportion,
setzt geläufige Perspektiven außer Kraft. Kletzkas Arbeiten im
Zyklus betont das schweifende Auge, nicht den Augenpunkt.
Kletzkas Welt ist unabschließbar, akzentuiert, bezogen, ihre Dimensionen
bleiben dabei immer offen.
Kunsthistoriker Darmstadt, Auszüge aus Rede, 2002
Renate Kletzka duldet zwischen sich und dem Bildträger nicht die Distanz,
die ein Pinsel schaffen würde - sie malt mit den Fingern.
Die unruhige zugrundeliegende Acrylfarbe suggeriert für das erfahrene,
empfängliche Auge Renate Kletzkas von sich aus, mit was sie bedeckt
bzw. in Kontrast gebracht werden möchte. Der Austausch zwischen Malerin
und Material geht so eng und zügig und selbstverständlich vonstatten,
daß beide gleichsam in einer Art gestalterischer Symbiose verschmolzen
sind.
Nur im Ausnahmefall sind ihre Zeichen figürlich fixiert.
Als Elementarzeichen scheinen sie mir eher bildnerische Kräfte zu verdeutlichen.
Das Kreuz, das für Verortung steht, der Pfeil, der einen Energiefluß richtet,
der Kamm, der sich in eine Masse verzahnt, die Mandel, die beim Sichöffnen
ihre Umgebung verdrängt, der Block, der ein Schwerezentrum plaziert,
die gerade Linie, die etwas zerschneidet, der Kreisbogen, der etwas anderes
einfriedet. Solche Blätter sind nicht nur eine Augenfreude, sondern
auch eine Schule der analytischen Bildbetrachtung.
Geblieben ist das Ganzheitliche im künstlerischen Prozeß, wo
die gegensätzlichen Impulse, zwischen denen man oft zerrissen ist,
miteinander kreativ vermittelt und versöhnt werden.
Auszüge aus Rede, 1998
Eine Vitalspur, die sich zum Gewachsenen und Gewordenen bekennt.
Renate Kletzkas Gemälde besitzen ihre eigene, an den Schichtungen der
Farbe ablesbare Geschichte. Sie leugnet nicht die Klümpchen der geronnenen
Paste, den Knick im spontanzügig bedeckten Papier.
Graphische Setzungen wie Balken und Bändern, Farbzonen ähnlich
Mauern, Bauten, Fenstern - Türöffnungen verklammern die Kompositionen in einer
Ordnung, die oft hin - und her pendelt zwischen der Symmetrie und ihrem
leisen Bruch.
Die Formen leben, sie sind voll einer Bewegung, die selbst im Zustand des
Fixiertseins noch nachschwingt. Ja, sie wirken so ungezwungen selbstverständlich,
daß ich mich an den Taoismus und seine Devise des „ wu wei“ (ohne
Tun) erinnert fühle,...“
Kunsthistoriker Darmstadt, Auszug aus Katalogtext 1997
In diesen Serien ist der Schritt vom Zeichnerischen, aus dem Renate Kletzka
kommt, zum Malerischen vollzogen. Und die Gebilde selbst, die Ovale, Bogensegmente,
Parallelzüge, Rechtecke, Linden, Klammern, Hanteln, Sporne, Zinnen,
Tore, Pfeile - nichts ist präzis, regulär geometrisch, präfabriziert,
nichts ist aufs eindeutig Wiedererkennbare angelegt. Alles ist autonome
Form. Alles wirkt nur aus sich, ist nur sich selbst. Und ist trotzdem mehr
als das. Tritt es doch in Dialog mit anderen, konträren Elementen.
Eckiges und Rundes, Offenes und Geschlossenes, Flächiges und Lineares,
Grobkantiges und Zartes, Verschwommenes und Klares, dazu die bildwirksamen
Aktivitäten Trennen und Verbinden, Neben- und Übereinanderlegen,
Voneinanderweg- und Aufeinanderzustreben - das sind die Mittel, die das
bipolare, balancierte Bild zuwegebringen. Daß hier ein Zusammenspiel
von Ratio und Intuition, „zwischen drängender Lebendigkeit und
ordnender Vernunft“ stattfindet, weiß Renate Kletzka selbst.
Sie, deren Vertrauen in die eigene Entscheidung über die Jahre gewachsen
ist, betont stets, daß es sich da um gestalterische Optionen handelt,
was das Gegenteil ist vom Kopfzerbrechen über die Schöpfung neuer
Symbole.
Tatsächlich wäre der Begriff „Symbole“ in seiner psychologisch-kulturgeschichtlichen
Komplexität auch unangebracht. Wozu die Kletzka’schen Besetzungen
und Setzungen sich formieren, sind Zeichen, freie, d. h. in keinem semiologischen
System verankerte Zeichen, zuoberst ans Auge adressiert, einerseits der
Phantasie der Künstlerin verpflichtet, andererseits der Assoziationskraft
des Betrachters. Des Betrachters, der in den Bildern Gelände-, Gebäude-,
Maschinenstrukturen ausmachen, mag Schlachtordnungen aus der Vogelschau,
Monumente aus unvordenklicher Zeit oder geologische Verwerfungen und Schichten.
Unter den Großen Erfindern aussagekräftiger Zeichen sehe ich
für Renate Kletzka die engste Verbindung zu Willi Baumeister. in dem
Buch „Das Unbekannte in der Kunst“ schrieb dieser vor fünfzig
Jahren: „Vom Standpunkt des Malers aus ist Malerei die Kunst des Sichtbarmachens
von etwas, das durch ihn erst sichtbar wird und vordem nicht vorhanden war,
dem Unbekannten angehörte.“ ... „Das Unbekannte bildet
den polaren Gegensatz zu jeder Erfahrung. Kunst sollte als Metamorphose
betrachtet werden, als beständige Umwandlung.“
Kulturamt der Stadt Langen
Auszug aus: Komm’ wir finden einen Schatz 1997
Im Anfang, wenn sie sich läßt und malt, ist sie unglaublich
und unerhört, roh, gewaltig und hilflos, erotisch und verklemmt, böse
und gut, Bekenntnisse und Geständnisse: ihr Ausgangsmaterial.
Daran hat sie zu kauen, zu kämpfen, zu arbeiten, übermalt, schminkt,
korrigiert, verstellt Einsichten, schafft neue Aussichten, baut Barrieren,
setzt Zeichen, maximal, also in den kunsthaltigsten Fällen, ein „X“ -
Hier ist ein Schatz vergraben.
Renate Kletzka vergräbt Schätze (Geheimnisse: KunstStoff), schichtet
Häute übereinander, mag keine nackten Tatsachen, wahrt die Haltung,
sucht Statik und Gleichgewicht. Sie will sich erkennen, hält Ausschau
nach den Polen, will sich finden, Gefallen finden und sucht (end)gültige
(Halbzeit)Ergebnisse.
Renate Kletzkas Bilder sind darunter & darüber, haben den angenehmen,
untergründigen Duft der Haltlosigkeit und den haltlosen Duft der Ordnung,
sie sind der Versuch, von einem Pol zum anderen zu gelangen und dazwischen
eine Form von Gültigkeit zu stabilisieren.
Sie selbst ist eine aufrichtige Schatzsucherin, eine Künstlerin, deren
Werke es lohnen, die Statik zu prüfen, die Konstruktionen zu belasten,
an den Übermalungen zu kratzen, an den Häuten zu reißen,
zu graben und nach den Geheimnissen zu trachten.
Auszug aus: Über-Zeichen 1997
Was spannend ist an Renate Kletzkas Arbeiten? Jede Stufe der Be- und Verarbeitung
verschafft dem Werk eine neue Sinnebene. Bedeutung wird geschaffen, zugemalt,
also getilgt, und damit doch gleichzeitig neu geschaffen. Das erinnert von
Ferne an die Mythenbildung: Jeder Mythos setzt sich aus vielen kleinen Mythen
zusammen, die ihn in ihren Bruchstücken und verschiedenen Fassungen
doch gleichzeitig auch in seiner Gesamtheit enthalten: Freilich ist Orpheus
der die Natur mit seinem Leierspiel betörende Sänger, aber ist
er nicht gleichzeitig auch mutiger Besucher der Unterwelt?
So haben irgendwie und irgendwo die Kunst und der Mythos vielleicht doch
mehr miteinander gemein, als wir das oft wahrhaben möchten. Da, wo
sie scheinbar verdecken, vermögen sie letztlich zu offenbaren.
Kunstforum Seligenstadt 1996
Der künstlerisch Gestaltungsakt als archetypisches Verhalten des Kreativen
schlechthin ist aber nur eine Seite ihres Werkes. Während die Tachisten
auf reflektierte Bildstrukturen verzichten, geht Renate Kletzka einen Schritt
weiter. Nun folgt die Übermalung mit Ölpastellkreiden. Sie setzt
bewusst und gezielt Akzente. Die Linien, die die Farbflächen umgeben
oder in sie hineinstoßen, werden mit dem Verstand eines Gestalters
platziert, der die Wirkung der bildnerischen Kräfte kennt. Farbebenen,
die von Gegenstand befreit sind, suchen nach ausgleichenden Kräften,
die Ordnung in die Anarchie bringen. Diese erreicht die Künstlerin
durch die Aufeinanderfolge entgegengesetzter Werte, dunkle Flächen
oder Formen auf einer hellen Oberfläche, kräftige, massive Linien
und Bildzeichen im Wechselspiel zu zarten Strichen und Farbnuancen. Durch
den Kontrast jeder einzelnen Einheit entsteht die große Intensität,
die diese Bilder ausstrahlen.
Offenbach-Post 1996
Auf einem Grund, der in seiner Struktur und seinen Erdtönen oft an
Felswände erinnert, setzt die Künstlerin Linien und Gestalten
von archaischer Einfachheit und Monumentalität.
Fast scheint es, als ob Renate Kletzka für sich die ursprüngliche
Entstehung der Kunst nachvollziehen wolle.
Mit Titeln wie „DNS-Schnipse“, „Molekül“ oder „Magmazone“ stellt
Renate Kletzka ihre Bilder im Nachhinein in einen universalen Sinnzusammenhang
zwischen Naturwissenschaft und Mystik, der mit der Unmittelbarkeit und Materialverbundenheit
ihre Malerei auf spannende Weise kontrastiert.